Samstag, 20. August 2011

Kleist: Krise und Experiment

Eine Doppelausstellung in Berlin und Frankfurt(O) zum 200. Todestag

Der Dichter Heinrich von Kleist - in Frankfurt(O) geboren, am kleinen Wannsee zu Tode gekommen - bot sich für den Berliner Bibliophilen Abend als Thema seiner jährlichen Sommerexkursion aus Anlass des 200. Todestages geradezu an.
So trafen sich am 13.8 2011 20 Mitglieder mit ihren Gästen in Berlin am Ephraim - Palais, um sich zu Heinrich von Kleist führen zu lassen. Der Dichter wird hier über drei Etagen präsentiert, soll mit unserer Zeit in Verbindung gebracht werden, interessant, einiges experimentell und verfremdet, was soll man noch Neues bringen nach 200 Jahren, seine Welt in unserer Welt und Zeit, die eine ganz andere als seine ist. Kleist, der Dramatiker und Erzähler soll als Mensch in all seinen Facetten dargestellt werden: als Kind, früh schon Soldat, als Bruder und Verlobter, Kranker und Melancholiker, Bittsteller und Verzweifelter, natürlich als der Dichter und schließlich als Selbstmörder im Alter von 34 Jahren. Die Gründe hierzu geheimnisvoll, fehlende Anerkennung, zunehmende Vereinsamung, sein Verhältnis zur kranken Henriette Vogel, die mit ihm starb, gescheiterte Rückkehr in die Armee, Missstimmung gegenüber seiner Schwester, Erschütterung über das alles, was sein weiteres Leben unerträglich machen würde. Oder doch keine Verzweiflungstat, „sondern ein heroisches Opfer zur Sicherung seiner Ehre, ...", wie die Ausstellungsmacher es interpretieren wollen.
Eine Woche darauf ging es dann auf in die Kleiststadt Frankfurt an der Oder. Vom Bahnhof dann zum Kleist-Museum nahe der Oder, vorbei am Kleistdenkmal und einer erhaltenen Grabstelle der Familie Kleist, am Ort seines Geburtshauses findet der Besucher eine Gedenktafel, gegenüber an der Kirche ein Kleistdenkmal von Wieland Förster. Im Museum begegnete man Heinrich von Kleist in der Vorstellung bildender Künstler, darunter wahrscheinlich die einzig existierende authentische Abbildung von ihm, dazu einige Plastiken. Kleist häufig auf Reisen vor allem in deutschen Landen, aber auch nach Paris und Norditalien, die seine geliebte Schwester Ulrike ihm mitfinanziert. Konflikte mit sich selbst lassen ihn 1798 seinen Abschied von den Soldaten nehmen, es war ihm zweifelhaft gewesen, ob er als Mensch oder als Offizier handeln müsse, schreibt er in einem Brief. Er wird Student an der Universität Frankfurt (O), was ihn zur Philosophie kommen lässt, zu einem bestimmten Beruf konnte er sich nicht entschließen, er hatte niemals eine Wohnung oder ein Haus.
Im Anschluss an die Ausstellung stellte Herr Petzel Heinrich von Kleist noch mit zwei Essays von Robert Walser und Thomas Mann vor, ein Dichter voller Widersprüche, belehrend gegenüber anderen in seiner Forderung nach strenger Sittlichkeit, gesellig, aber auch wieder abweisend, sich lieber schriftlich als mündlich ausdrückend. Einen kleinen Eindruck seiner Erzählkunst bekamen wir durch die Geschichte „Das Bettelweib von Locarno" gelesen von Herrn Petzel. Nach einer Einkehr in eine Gaststätte direkt an der Oder gelegen, traf man sich in der Marienkirche, um die herrlich bunten Fenster am Ostflügel der museal umgestalteten Kirche anzusehen. Rückkehr nach Berlin am frühen Abend, Dank an den Vorsitzenden für die Organisation eines reibungslosen Ablaufs dieser beiden Veranstaltungen.

(Christian Klinkenstein)

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Fotos
© Abel Doering

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