Montag, 15. März 2010

Fritz Jüttner - ... Schweizer Freunden einst ehrenvoll anvertraut - Bibliophiles zu Goethes "Wilhelm Meister"


Am 15. März 2010 fand die Jahresmitgliederversammlung des Berliner Bibliophilen Abend im Heimatmuseum Charlottenburg statt. Der amtierende Vorstand wurde im Amt bestätigt: als Vorsitzender Herr Dipl.-Ing. Bernd Illigner, als stellv. Vorsitzender Dipl.-Germanist Jörg Petzel und als Schatzmeister Uwe Domke. Neu in den Vorstand wurde als Schhriftführer Herr Dr. Klinkenstein gewählt

Der Germanist und Bibliophile Dr. Fritz Jüttner bot anschließend einen Vortrag mit dem zunächst rätselhaften Titel "Schweizer Freunden einst ehrenvoll anvertraut... - Bibliophiles zu Goethes "Wilhelm Meister". Ein Glückwunsch zur Jubelfeier der Universität Berlin Die Beschäftigung des Referenten mit Goethes "Wilhelm Meister"-Dichtungen geht bis in seine Schulzeit zurück. Der Roman "Wilhelm Meisters Lehrjahre" in der Ausgabe des Aufbau Verlages wurde ihm 1952 als Auszeichnung zum Abschluss der Grundschule vom Rat des Kreises Senftenberg geschenkt.
Seitdem hat ihn das Werk beschäftigt. Er sammelte alle wesentlichen Ausgaben der "Wilhelm Meister"- Dichtungen und konnte so seine Ausführungen durch Exemplare aus eigener Sammlung illustrieren:

"Wilhelm Meisters Lehrjahre" erschienen im ersten Druck 1795 - 1796 in den Bänden 3 bis 6 von Goethes "Neuen Schriften" bei Unger in Berlin in der berühmten Unger-Fraktur. Jüttners Sammlung enthält alle drei bei Hagen genannten Drucke N, N l und N2 und auch - wie äußerst selten - sämtliche beigefügten Vertonungen von J. F. Reichardt, dazu den gleichzeitigen Separatdruck mit Frankfurt und Leipzig als angegebenen Erscheinungsorten. Als weitere wichtige Drucke des Werks zu Goethes Lebzeiten wurden die entsprechenden Bände der Cotta-Werkausgaben 1806 und 1816 und der Ausgabe letzter Hand im Taschenformat und im Grossoktav - mit Illustrationen von J.H. Ramberg - vorgestellt.

"Wilhelm Meister's Wanderjahre" erschienen ein Vierteljahrhundert später (Erstdruck 1821,wesentlich verändert dann in der Ausgabe letzter Hand ,Band 21 bis 23). Von den späteren Ausgaben zeigte der Referent den 2. Band der von Eckermann besorgten Quartausgabe von 1837 , der den ''Wanderjahre"'-Text erstmals in der bis heute maßgeblichen Form enthält

"Wilhelm Meisters theatralische Sendung" , der erste "Wilhelm Meister"-Text, Urform der ersten Teile der "Lehrjahre" (daher die spätere Kurzbezeichnung "Ur-Meister"), entstanden zwischen 1777 und 1785, blieb in Goethes Zeit ungedruckt, wurde in der Entstehungsphase vom Dichter aber in Abschriften an Freunde versandt, so auch an seine Zürcher Freundin Barbara Schultheß. Diese fertigte gemeinsam mit ihrer Tochter vor Rücksendung der Goethe-Zuschrift eine Abschrift an. Erst 1910 wurde die Schultheßsche Abschrift - das einzige Exemplar, in dem Goethes Text noch existiert -vonGustav Billeter wiederentdeckt.Er veröffentlichte erste Auszüge und überliess dann den sensationellen Fund dem in Bern wirkenden Germanisten Harry Maync,der den vollständigen Text -"Schweizer Freunden einst ehrenvoll anvertraut" - angemessen in einer Prachtausgabe in Quart und einer Oktavausgabe 1911 bei der Cottäschen Buchhandlung Nachfolger herausbrachte .Die Quart-Prachtausgabe wurde der Universität Berlin zu ihrer Hundertjahrfeier 1910 von der Universtät Bern und dem Berliner Rektor Erich Schmidt (dem berühmten Germanisten, der 1887 den "Urfaust" entdeckt und publiziert hatte) von Harry Maync gewidmet. Zur Jubiläumsfeier lag der Band allerdings noch nicht vor, und so wurde zunächst ein eigens hergestellter prächtiger Vorabdruck der Anfangskapitel des "UrMeister" überreicht.

Der Referent konnte sowohl ein Exemplar der Quart-Prachtausgabe (mit Exlibris des Leipziger Germanisten Albert Köster) als auch ein Exemplar des nur in wenigen Exemplaren existierenden Geschenk-Druckes von 1910 aus eigener Sammlung den ehrfurchtsvoll staunenden Bibliophilen vorzeigen.So war der Vortrag eine würdige Erinnerung an die Hundertjahrfeier der Alma Mater Berolinensis und an ihren grossen Gelehrten Erich Schmidt und damit ein Glückwunsch zum zweihundertjährigem Bestehen, das die Humboldt-Universität - über Jahre Arbeitsstätte des Referenten-in diesem Jahr feiert.

(Bernd Illigner, unter Verwendung von Aufzeichnungen des Referenten)

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